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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 25.11.2008
Aktenzeichen: 9 W 41/08
Rechtsgebiete: BGB, StrWG NRW
Vorschriften:
BGB § 839 | |
StrWG NRW § 9 | |
StrWG NRW § 9a |
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Bielefeld vom 2. Juli 2008 - nicht abgeholfen durch Beschluss vom 7. August 2008 - wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
Der Antragsteller verlangt von der Antragsgegnerin materiellen Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen eines Sturzes mit seinem Motorroller in dem Kreisverkehr L-Straße/I-straße innerorts von M am 28. Dezember 2007 gegen 10:30-11:00 Uhr.
Es handelt sich um einen einspurigen Kreisverkehr. Der Antragsteller befuhr die L-Straße Richtung C. Nach den von ihm vorgelegten Lichtbildern, auf denen er seine angebliche Fahrtstrecke eingezeichnet hat, fuhr er nach Einfahrt in den Kreisverkehr auf der von ihm so bezeichneten "Ideallinie" zunächst nahezu geradeaus und kam am inneren linken Rand der Fahrbahn auf Höhe der Einmündung der I-Straße zu Fall.
Der Antragsteller hat behauptet, an der Sturzstelle sei der Straßenbelag wegen fehlender Körnung und Feuchtigkeit völlig glatt gewesen, so dass das Hinterrad weggerutscht sei. Außerdem befänden sich dort Bodenwellen. Es seien in dem Kreisverkehr vorher schon häufiger Zweiradfahrer wegen der glatten Fahrbahn zu Fall gekommen. Trotz angemessener Fahrweise mit 15-30 km/h sei es ihm aufgrund der Gefährlichkeit des Straßenbelages nicht möglich gewesen, die Kontrolle über sein Fahrzeug wiederzuerlangen.
Mit seiner beabsichtigten Klage begehrt der Antragsteller Erstattung der Reparaturkosten seines Motorrollers in Höhe von 2.141,64 Euro nebst Zinsen sowie Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes von mindestens 1.500,- Euro.
Die Antragsgegnerin hat beantragt, den Prozesskostenhilfeantrag zurückzuweisen. Sie bestreitet, dass der Straßenbelag nicht ausreichend griffig gewesen sei. Bodenwellen seien ebenfalls auf den vorgelegten Fotos nicht erkennbar. Daher habe keine unvorhersehbare Gefahrenstelle bestanden.
Das Landgericht hat den Antrag durch Beschluss vom 2.7.2008 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Antragsteller habe nicht substantiiert dargelegt, auf welchem Straßenstück konkret das Hinterrad weggerutscht sein soll und welche Geschwindigkeit der Antragsteller konkret eingehalten habe. Darüber hinaus sei auch völlig offen, auf Grund welcher Anhaltspunkte die Antragsgegnerin Kenntnis von der angeblichen Gefährlichkeit gehabt haben sollte. Mit Schreiben vom 3.8.2008 hat der Antragsteller "Einspruch" eingelegt und zur Begründung u.a. Fotos eingereicht, auf denen er die Unfallstelle und seine ungefähre Fahrstrecke eingezeichnet habe. Darüber hinaus hat er die Aufnahmen eines Fernsehbeitrags über die angebliche Unfallstelle vorgelegt. Mit Beschluss vom 7.8.2008 hat das Landgericht der eingelegten Beschwerde nicht abgeholfen und ausgeführt, dass nach wie vor ein Verschulden der Antragsgegnerin nicht dargelegt worden sei.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 3. August 2008 innerhalb der Frist des § 127 Abs. 2 ZPO formgerecht Beschwerde eingelegt. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, fehlt der beabsichtigten Klage die nach § 114 ZPO erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Der Antragsteller hat die Voraussetzungen eines Amtshaftungsanspruchs gem. §§ 839 BGB, 9, 9a, 47 StrWG i.V.m. Art. 34 GG nicht dargelegt. Wie bereits das Landgericht ausgeführt hat, ist eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Antragsgegnerin aus dem Vortrag des Antragstellers nicht zu entnehmen. Denn es ist nicht ersichtlich, dass der Antragsteller an einer Stelle zu Fall kam, die von der Antragsgegnerin bei Wahrung der ihr obliegenden Verkehrssicherungspflicht als abhilfebedürftige Gefahrenstelle erkannt werden musste.
Im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden, da eine völlige Gefahrlosigkeit mit zumutbaren Mitteln nicht erreicht und von dem Verkehrsteilnehmer auch nicht erwartet werden kann. Vielmehr sind diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die nach den Sicherheitserwartungen des jeweiligen Verkehrs im Rahmen des wirtschaftlich zumutbaren geeignet sind, Gefahren abzuwenden, die den Verkehrsteilnehmern trotz Anwendung der von ihm zu erwartenden Eigensorgfalt drohen. Welche Maßnahmen erforderlich sind, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab (Senat, Urt. v. 25.1.2002 - 9 U 62/01 - OLGR 2002, 249).
Der Antragsteller behauptet, am inneren Radius der Fahrbahn im Kreisverkehr habe sich eine glatte und mit Bodenwellen versehene Stelle befunden, auf der er ausgerutscht sei. Auf den Fotos in der Anlage zur Beschwerdeschrift hat er den angeblich glatten Bereich eingezeichnet. Die dort weiter eingezeichneten Bodenunebenheiten verlaufen ebenfalls in weitem Abstand zum rechten Fahrbahnrand. Sie liegen damit in einem Bereich, der bei ordnungsgemäßem Befahren des Kreisverkehrs unter Beachtung des Rechtsfahrgebots gem. § 2 Abs. 2 StVO nicht von Zweiradfahrern befahren wird. Das Rechtsfahrgebot war auch bei dem Durchfahren des Kreisverkehrs zu beachten (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 2004, 244). Die vom Antragsteller angeführte "Ideallinie" lässt sich bei verkehrsgerechtem Verhalten von Zweiradfahrern nicht einhalten.
Die Gefährlichkeit der Sturzstelle am inneren Rand des Kreisverkehrs soll sich aus dem glatten Fahrbahnbelag ergeben, der auf fehlende Körnung der Oberfläche zurückzuführen sei. Aufgrund der Glätte und der zusätzlich vorhandenen Bodenwellen sei es dem Antragsteller nicht mehr möglich gewesen, seinen Motorroller abzufangen. Ursächlich für das Wegrutschen des Hinterrades sei der notwendige Richtungswechsel gewesen, den der Antragsteller beim Befahren der Ideallinie genau an dieser Stelle habe vornehmen müssen. Es ist nicht ansatzweise erkennbar, dass die angebliche Gefahrenstelle für andere Verkehrsteilnehmer als Zweiradfahrer eine Gefährdung darstellte. Es trifft zwar zu, dass die Antragsgegnerin auch mit einer nicht ganz fernliegenden verkehrsordnungswidrigen Benutzung des Kreisverkehrs durch Zweiradfahrer rechnen musste. Allerdings kann nicht erwartet werden, dass die Antragsgegnerin den Straßenbelag regelmäßig an jeder Stelle ihres Straßennetzes auf ausreichende Griffigkeit bei Nässe überprüft. Es ist nicht dargelegt, dass der gesamte Bodenbelag des Kreisverkehrs oder auch nur ein größerer Bereich zu wenig rutschfest ist. Nicht ersichtlich ist insbesondere, dass die angeblich zu geringe Körnung im inneren Randbereich des Kreisverkehrs bei den zumutbaren Streckenkontrollen hätte auffallen müssen. Die vom Antragsteller eingezeichnete glatte Fläche nimmt nur einen ganz geringen Teil der Oberfläche des Kreisverkehrs ein. Es kann nicht erwartet werden, dass der Straßenverkehrssicherungspflichtige jeden Quadratmeter des Straßennetzes in regelmäßigen Abständen auf eine zu geringe Körnung und Griffigkeit in trockenem bzw. nassem Zustand untersucht. Das wäre mit zumutbaren finanziellen und personellen Mitteln nicht zu realisieren. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die angebliche Gefahrenstelle sich - wie hier - weit außerhalb des bei verkehrsgerechtem Verhalten zu benutzenden Fahrweges von Zweiradfahrern befindet und für andere Verkehrsteilnehmer keine Gefahr darstellt (vgl. OLG Celle, Urt. v. 7.3.2001 - 9 U 204/00, zit. n. Juris). Der Antragsteller behauptet zwar, es hätten sich bereits vor seinem Sturz eine Vielzahl von Unfällen mit Motorrädern bzw. -rollern im Kreisverkehr ereignet. Es ist aber nicht dargelegt und unter Beweis gestellt, woraus sich ergeben soll, dass die Antragsgegnerin Kenntnis von den Unfällen und einer angeblichen Ursächlichkeit des Straßenbelages erlangt haben soll. Darauf hat auch schon das Landgericht in dem angefochtenen Beschluss hingewiesen. Demgegenüber war zu berücksichtigen, dass gerade Kradfahrer bei der Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrbahnbelag in unterschiedlicher Griffigkeit bzw. mit Bodenunebenheiten rechnen und sich durch angepasste Fahrweise bei Einhaltung der geltenden Verkehrsvorschriften darauf einstellen müssen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 127 Abs. 4 ZPO, 3 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1811 KV.
Ende der Entscheidung
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